Sichere Ernte – genug zu essen!

Sichere Ernte – genug zu essen!
Klatschmohn, Kamille und Gänsefuß sind auf der Wiese hübsch anzusehen. Wo sie selten erwünscht sind, ist am Feld. Schon 2014 zeigte ein Projekt der IndustrieGruppe Pflanzenschutz gemeinsam mit der egz (erzeugergemeinschaft zistersdorf), wieso: Auf acht Kleinparzellen wurden verschiedene Nutzpflanzen angebaut. Bei jeder kamen auf einem Teil der Parzelle Pflanzenschutzmittel zum Einsatz, beim anderen nicht. Wo keine Pflanzenschutzmittel eingesetzt wurden, hatten sich Klatschmohn & Co breit gemacht. Dass die Nährstoffkonkurrenz allen Nutzpflanzen schadet, war unübersehbar. Den Zuckerrüben aber ganz besonders. Deutliche Ertragseinbußen und eine schlechtere Produktqualität waren die Folge. Die IndustrieGruppe Pflanzenschutz führte das Projekt gemeinsam mit den Österreichischen Jungbauern fort und wiederholte die Initiative 2016 unter dem Namen „schauFELDER“.

Mehr Transparenz für Konsumenten
Forschung und Entwicklung im Pflanzenschutz haben maßgeblich dazu beigetragen, dass viele Erkrankungen und Schädlinge immer weniger Schaden anrichten konnten. Mit der Konsequenz, dass die gefürchteten Ernteverluste – etwa bei Kartoffeln – massiv zurückgingen. Speziell die Jungpflanzen verschiedener Kulturpflanzen konnten immer besser geschützt werden. Über den Nutzen in punkto Pflanzengesundheit und den Schaden, den Pflanzenschutzmittel bei unsachgemäßer Anwendung anrichten können, wird schon seit einiger Zeit eine Kontroverse geführt. Industrie, Landwirte, Forscher, Politiker, Umweltschützer, NGOs und nicht zuletzt die Konsumenten selbst sind sich darüber uneins. Gerade für all jene, die „nur“ konsumieren, wird das Thema immer undurchsichtiger. Sich eine fundierte Meinung zu bilden, ist schwierig. Wissenschaftliche Studien werden von allen Seiten in die Diskussion eingebracht. Deshalb ist die Praxis, am Beispiel der „schauFELDER“, so zentral.
Nebst einem Steckbrief zur Nutzpflanze vor Ort kann jeder auf der Projekt-Homepage und in einem detaillierten Bericht nachlesen, welche Pflanzenschutzmaßnahme zu welchem Zeitpunkt gesetzt wurde. Auf mehr Transparenz setzten die Beteiligten auch in punkto Rückstände. Das, was am Feld warum gedeiht und was nicht, gibt den Vorbeigehenden einen Blick „hinter die Kulissen“ der konventionellen Landwirtschaft. Denn wo der Bezug zur Lebensmittelproduktion verloren geht, gedeihen Vermutungen und das ist wiederum der Nährboden für Ressentiments. Umgekehrt waren konventionelle Landwirte vielleicht noch nie so in der „Bringschuld“ wie heute, aufzuzeigen, wie sie arbeiten.

Verluste bei allen Kulturen
Vielen ist gar nicht mehr bewusst, was Pflanzenschutz bringt. Eine hohe Produktqualität und geringe Ernteverluste sind bei uns fast schon selbstverständlich geworden – wenn man von den Folgen von Naturgefahren wie etwa Hochwasser und extremen Wetterlagen absieht. Dann sind Ernteverluste gut zu beziffern. Doch die Frage: Was wäre, wenn man komplett auf Pflanzenschutzmittel verzichtet – kann nur im Feldversuch betrachtet werden. Die „schauFELDER“ sind so ein Mini-Labor, das heuer gemeinsam mit den Österreichischen Jungbauern betrieben wird und erstmals kommt das Projekt als Miniaturausgabe auch in die Bundeshauptstadt. Beim diesjährigen Erntedankfest stellt die IGP zwei Hochbeete auf, wo der Unterschied zwischen behandelten und unbehandelten Kulturpflanzen aufgezeigt wird.
Wie hoch Ernteverluste wegen fehlenden Pflanzenschutzes sein können, wurde aber schon in den letzten Projektjahren erhoben. Bei der Zuckerrübe waren sie im Jahr 2014 besonders hoch und lagen bei 86 Prozent. Am wenigsten war die Gerste betroffen, wo der Verlust bei „nur“ 20 Prozent lag. Betreffen diese Zahlen nur den einzelnen Landwirt? Im Detail: Ja. In der Summe gesehen hängen Ernteverluste sehr eng mit dem Selbstversorgungsgrad zusammen. Beim Winterweizen liegt er hierzulande derzeit bei 97 Prozent. Anhand der Ernteverluste bei den schauFELDERN und den Daten vom „Grünen Bericht 2014“ berechneten Experten jedoch, dass der Wert rein rechnerisch gesehen auf 28 Prozent zurück gehen könnte.

In der Zwickmühle
Landwirte stehen heute jedenfalls vor der Situation, dass sie mit einer schrumpfenden Wirkstoffpalette auskommen müssen. Das ist das Ergebnis der aktuellen Entwicklungen auf politischer Ebene. Obwohl die Dauer der Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln in der EU lang ist, steht die Frage, ob sie andere Organismen - Boden, Wasser oder den Konsumenten - nicht doch schädigen, immer wieder zur Diskussion. Ein Beispiel ist die seit 2013 geltende, aber umstrittene Einschränkung von drei neonicotinoiden Wirkstoffen zur Saatgutbeizung. Bis Jänner 2017 soll die EFSA die Risiken nun neu bewerten.
Weiteres Thema sind Kriterien zur Regulierung von endokrinen Disruptoren, sprich hormonell schädlichen Substanzen. Streitpunkt ist einmal mehr, ob die Kriterien mit Augenmaß beschlossen wurden und den landwirtschaftlichen Betrieben noch genug Handlungsspielraum lassen. Mancherorts regt sich die Befürchtung, dass es gegen altbekannte Probleme bald zu wenig effektive Mittel geben könnte. In Deutschland sind etwa die Krautfäule oder auch der Kartoffelkäfer wieder im Kommen. Gleichzeitig steigt der Druck durch neue, bisher in unseren Breiten unbekannte Schädlinge. In einigen Regionen Deutschlands traten etwa 2014 die Kleine Kohlfliege (Raps) und die Kirschessigfliege (Obst- und Weinbau) erstmals massiv auf.

Ernte gut, alles gut
Je geringer die Ernteverluste ausfallen, desto besser. Nicht nur für Landwirte, sondern ganz besonders für die Konsumenten. Und die werden immer mehr. Die wachsende Weltbevölkerung und der steigende Wohlstand etwa in Asien sind ein wichtiger Faktor und verschärfen die angespannte Situation. Denn mit dem Wegfall von Wirkstoffen werden die Karten quasi neu gemischt. Ernteverluste bei Kulturen, bei denen diverse Problem als gelöst galten, könnten wieder zum Thema werden. Mit Blick auf die Ernährungssicherung sollte jedoch genau das vermieden werden. Schließlich gehen weltweit schon jetzt auf den Feldern Milliarden Tonnen an Lebensmitteln „verloren“.
Entscheidungen über die Köpfe und Bedürfnisse von Landwirten hinweg könnten jedenfalls negative Auswirkungen haben. Pflanzenkrankheiten, Schädlinge und Unkraut hat man in den letzten Jahrzehnten gut in den Griff gekriegt. Das Unkraut mechanisch zu entfernen ist nur teilweise möglich, eine händische Entfernung schon allein wegen des immensen Arbeitskräfteaufwands nicht mehr vorstellbar. Langfristig gesehen ist es deshalb sehr wichtig, genau zu prüfen, ob der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel nicht vielleicht mehr Nach- als Vorteile bringt…