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IGP-Obmann: Innovationen gehen an EU vorbei

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Stockmar: EU sollte rasch handeln, damit Agrarstandort im internationalen Wettbewerb nicht zurückfällt. Es braucht einen gut gefüllten Pflanzenschutz-Werkzeugkasten für gesunde Pflanzen.

Pflanzenschutz-Experte und IGP-Obmann Christian Stockmar warnte in seinem Vortrag bei der Bundesgemüsebautagung vor den Folgen des anhaltenden Wirkstoffverlustes in der EU: „Die Zahl verfügbarer Wirkstoffe ist seit Einführung der EU-Verordnung 1107/2009 von über 1.000 auf unter 300 gesunken. Allein in den vergangenen sechs Jahren wurden den Landwirten mehr als 80 Wirkstoffe entzogen. Damit ist in vielen Kulturen kein effizientes Resistenzmanagement mehr möglich. Verstärkt wird diese Entwicklung dadurch, dass keine neuen Wirkstoffe als Alternativen nachkommen. So wurde seit 2019 in der EU kein neuer Wirkstoff zugelassen.“ Dies führt laut Stockmar zu steigenden Produktionsrisiken für zentrale Kulturen wie Kartoffel, Rübe oder Kohlgemüse. „Die heimische Landwirtschaft kann ihre vielfältigen Aufgaben nur erfüllen, wenn ausreichend wirksame Pflanzenschutzlösungen zur Verfügung stehen. Sie sind die Grundlage für gesunde Pflanzen und eine sichere Versorgung mit hochwertigen regionalen Lebensmitteln.“

Warum werden keine neuen Wirkstoffe zugelassen?

Der Zulassungsprozess in der EU verursacht eine Reihe von Herausforderungen, die dazu führen, dass heimischen Produzenten wichtige Innovationen nicht zur Verfügung stehen. Im internationalen Wettbewerb entsteht dadurch ein enormer Nachteil. Stockmar fordert einen EU-agrarpolitischen Kurswechsel: „Eine Bewertung und Registrierung von Wirkstoffen in der EU ist zu teuer, zu lange und zu unsicher. Vor allem kleinere Unternehmen können die Kosten und Risiken nicht stemmen und entscheiden sich gegen Wirkstoffregistrierungen in der EU.“ So dauert in der EU ein Zulassungsprozess bis zu 5 Jahre und mitunter auch länger. Andere Zulassungsbehörden weltweit schaffen die Bewertung und Zulassung in 2 Jahren. Großbritannien etwa, wo auch die VO 1107/2009 angewendet wird, hat seit dem Brexit drei Wirkstoffe zugelassen, die in der EU nach wie vor im Prozess feststecken.

Welche Änderungen braucht es bei Zulassungsverfahren?

Christian Stockmar fordert eine Trendumkehr bei Zulassungsverfahren: „Die EU-Verordnung 1107/2009 sollte in ihrer Gesamtheit angewendet werden, denn sie bietet deutlich mehr Möglichkeiten, als aktuell genutzt werden. Insbesondere der vorgesehene Mechanismus zur Verhinderung weiterer Wirkstoffverluste sollte endlich wirksam genutzt werden.

Auch bei neuen Innovationen wird der Spielraum nicht ausgenutzt, wenngleich es zusätzlich dringender Anpassungen bedarf. So haben biologische Wirkstoffe derzeitig dieselben gesetzlichen Anforderungen wie chemisch-synthetische zu erfüllen. „Das verhindert eine rasche Zulassung und bremst Innovationen, obwohl biologische Lösungen grundsätzlich schneller verfügbar sein könnten. Die EU kommt ihren eigenen Versprechen bis dato nicht nach“, kritisiert Stockmar.

Eine weitere Forderung ist die Rückkehr zu einem risikobasierten Ansatz: „Technologische Innovationen erhöhen die Präzision und reduzieren die Aufwandmengen und damit die Rückstände und die Exposition mit Pflanzenschutzmitteln zum Teil deutlich. Verbesserte Formulierungen tragen ebenfalls zu einem effizienteren Pflanzenschutz bei. Das sollte bei der Bewertung von Wirkstoffen ebenso berücksichtigt werden wie eine Nutzenanalyse, die das Risiko einer Nichtzulassung bewertet.“

Industrie liefert, EU verhindert

Generell ist die Innovations- und Wirkstoffpipeline gut gefüllt, betont Stockmar: „Die Industrie investiert seit der Ankündigung des Green Deals bis 2030 insgesamt 14 Mrd. EUR in Precision Farming und biologische Wirkstoffe. Die Wirkstoffentwicklung ist allerdings global ausgerichtet. Für jeden Wirkstoff wird individuell entschieden, in welchen Regionen und Ländern er zugelassen werden soll.“

Entscheiden sich Unternehmen zunehmend gegen eine Zulassung in Europa, wären die Folgen für Landwirte und Konsumenten fatal: „Den Bauern fehlen wichtige Innovationen und sie fallen im internationalen Wettbewerb zurück, den Menschen in Europa wiederum könnten viele Lebensmittel künftig nicht mehr oder nur mehr sehr teuer zur Verfügung stehen. Daher ist unsere Forderung klar: Den EU-Landwirten sollte ein umfassender Werkzeugkasten an effizienten Pflanzenschutzmitteln zur Seite gestellt werden. Sonst fällt der Agrarstandort im internationalen Wettbewerb zurück. Die EU ist gefordert, rasch zu handeln.“